Wien und der Tod: Das ist eine ewige Liebe – ein besonderes Verhältnis zwischen sentimental-melancholischer Koketterie und nahezu inniger Intimität.
Beim Heurigen wird vom Wein gesungen, der sein wird, wenn man nimmer sein wird. Eine „schöne Leich’“, wie man ein repräsentatives Begräbnis mit großer Trauergemeinde nennt, gibt immer noch Anlass zum Schwärmen. Und Anfang November, zu Allerheiligen und Allerseelen, wenn der Toten gedacht wird, strömen Tausende hinaus zum Zentralfriedhof in Simmering, einer der größten Begräbnisstätten Europas. Aber das ist eigentlich nur logisch: Denn die Wiener lieben das Leben. Also lieben sie auch den Tod, die andere Seite des Lebens.
Dass die Wiener im Vergleich zu anderen Großstädtern eine besonders enge Beziehung zum Tod haben, ist zwar ein Klischee – aber ausnahmsweise eines, das stimmt: Die Todessehnsucht hat in Wien Heimatrecht. Beim Heurigen kippt die sprichwörtliche Wiener Gemütlichkeit gern in eine abgrundtiefe Todtraurigkeit und der Zentralfriedhof ist auch gleichzeitig eines der größten Naherholungsgebiete der Stadt. Die sterblichen Überreste der Angehörigen des Kaiserhauses ruhen in Grüften, in denen ein eleganter Hauch von Ewigkeit weht. Und ganze Museen mit Kuriositäten und Skurrilitäten rund um den Tod, der laut einer bekannten Heurigenmelodie sogar selbst ein Wiener ist, verbreiten wonnige Schauer.
Es kann kein Zufall sein, dass Sigmund Freud gerade in Wien den Todestrieb entdeckte und dass der in der Welt der Psychologie als Mr. Suicide bekannte Erwin Ringel hier 1948 Europas erstes Kriseninterventionszentrum gründete. Und in Wien schufen Johann Strauss Vater und Sohn, selbst geschüttelt von Ängsten vor Reise, Alter, Krankheit und Tod, eine Musik, die für immer unsterblich ist: den Wiener Walzer, unter dessen glückseliger Oberfläche ein bisschen Wehmut und Schmerz mitschwingen.
Zentralfriedhof & Schöne Leich‘
Der Zentralfriedhof, vom Künstler André Heller als „Aphrodisiakum für Nekrophile“ bezeichnet, ist mit einer Fläche von 2,5 km² und mehr als 330.000 Gräbern, in denen drei Millionen Menschen bestattet sind, der zweitgrößte Friedhof Europas (nach dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg). Er ist aber auch ein zutiefst wienerischer Ort: Stadtbewohner nützen ihn gerne für einen Familienausflug oder einen Spaziergang, laben sich vor den Friedhofstoren an Maroni- (Kastanien) und Würstelständen oder stärken sich in der Konditorei Oberlaa beim Haupteingang. Und kommen mit ein wenig Glück gratis in den Genuss höchster Kunst: Wenn sich nämlich Philharmoniker und Chorsänger aus der Staatsoper am Rand offener Gräber mit schmalzigen „Averln“ (Gounods „Ave Maria“) oder gestrichenen Trauermärschen etwas dazu verdienen. Besucher:innen, die das riesige Areal nicht zu Fuß erkunden wollen, können sich stilvoll von einem der Fiaker kutschieren lassen, die beim Haupteingang (2. Tor) einen Standplatz haben (Mitte März bis Allerheiligen täglich, Vorbestellung empfehlenswert, www.fiaker-wulf.at). Wer lieber auf zwei Rädern unterwegs ist, kann sich (ebenfalls beim Haupteingang / 2. Tor) über die Handy-App SIMBIKE ein E-Bike ausleihen.
Wer neben vielem Wissenswerten über den Zentralfriedhof auch gerne gruselige Geschichten hört, sollte an einer der exklusiven Nachtführungen teilnehmen, die jeweils samstags von Oktober bis März bei Dunkelheit angeboten werden – Gänsehaut garantiert! (Anmeldung unter https://www.gabitours.at/destinations/der-zentralfriedhof-bei-nacht)
Ebenfalls sicher einmalig: Als Hilfestellung zur Trauerbewältigung wurde innerhalb des Friedhofbereiches ein sogenannter Park der Ruhe und Kraft nach geomantischen Gesichtspunkten angelegt, Totgeburten können in einem eigens angelegten Babyfriedhof bestattet werden und Menschen, die ihren Körper der Forschung vermachen, finden danach ihre letzte Ruhe am Anatomiefriedhof. Eine naturnahe Bestattung ist in den beiden sogenannten Waldfriedhöfen am Zentralfriedhof selbst und auch im Friedhof Feuerhalle Simmering möglich. Die Urnen der Eingeäscherten werden hier rund um die Wurzeln von ausgesuchten Bäumen oder Blütenstauden beigesetzt. Die Namen der Verstorbenen können an einer gemeinsamen Gedenkstätte eingraviert werden – es entfallen somit die Kosten für die Grabgestaltung und -pflege.
Für die Ewigkeit ist vielen Wienern jedoch nichts zu teuer. Mit der „schönen Leich’“, einer Beisetzung in großem Stil mit prunkvollem Kondukt inklusive historischer, sechsspänniger Trauerkutsche, professionellen Grabrednern und opulentem Leichenschmaus, erweisen sie ihren Nächsten die letzte Reverenz. Immerhin die Hälfte aller Hinterbliebenen entscheidet sich für das kostspielige „Begräbnis erster Klasse“. Für die Überreste Eingeäscherter stehen exklusive Behältnisse zur Verfügung, etwa in Österreich handgemachte Unikate aus „Schwarzem Gold“, der wiederentdeckten, von Etruskern und Römern benutzten „Terra Nigra“, die mit 24-karätigem Gold oder Platin veredelt wird. Oder ebenfalls handgefertigte Einzelstücke der Porzellanmanufaktur Augarten, zu denen eine kleinere, sogenannte Memorialurne mitgeliefert wird, in der die Angehörigen einen Teil der Asche Ihrer Lieben mit nach Hause nehmen können.
Das Bedürfnis nach einer „schönen Leich“ ist aber nicht auf menschliche Verstorbene begrenzt, sondern erstreckt sich auch auf die vierbeinigen Lieblinge der Wiener:innen, von denen es in Wien recht viele gibt. Neben 1,9 Millionen Menschen leben mehr als 55.000 Hunde in der Stadt und in ca. 13 Prozent der Haushalte gibt es Katzen, von weiteren Kleintieren ganz abgesehen. Gegenüber dem Haupteingang des Zentralfriedhofs gibt es einen Friedhof für Tiere, der dem für menschliche Tote in nichts nachsteht: Er bietet eine Aufbahrungshalle, Kremierungsmöglichkeit sowie Erd- und Urnengräber, eine Urnenwand, Holzgedenkzeichen mit Inschrift und in höheren Preisklassen auch individuelle Grabsteine sowie Grabpflege. Wem das an Tierliebe noch nicht genug ist, kann sich gemeinsam mit seinem Liebling am ersten Wiener Mensch-Tier-Friedhof hinter der Feuerhalle beisetzen lassen.
Sparsarg & Totengräber-Accessoires
Der Aufwand der Wiener:innen um die Bestattung ließ ökonomisch denkende Regenten auf seltsame Ideen verfallen. Kaiser Joseph II. verordnete 1784 den „Sparsarg“, einen wiederverwendbaren Sarg mit Klappe auf der Unterseite, durch die der Tote ins Grab befördert werden konnte. Aber so genial die Erfindung auch war, die Wiener:innen lehnten sie strikt ab, machten ihrer Entrüstung in Tumulten und Protestmärschen Luft und zwangen den Herrscher, seine Verordnung wieder zurückzunehmen.
Einer dieser Sparsärge ist im Wiener Bestattungsmuseums zu bewundern. Es befindet sich unter einer historischen Aufbahrungshalle gleich beim Haupteingang des Wiener Zentralfriedhofs (2. Tor) und präsentiert in einer spannenden Dauerausstellung alles Wissenswerte zur sehr speziellen Wiener Bestattungs- und Friedhofskultur. Unter den rund 250 Ausstellungsobjekten finden sich etwa eine Kutsche für den Leichentransport aus der Zeit um 1900, zahlreiche Traueruniformen, diverse Sargmodelle oder ein Rettungswecker, mit dem wiedererwachte Scheintote auf sich aufmerksam machen konnten. Das Bestattungsmuseum auf dem Wiener Zentralfriedhof bietet auf 300 m² Ausstellungsfläche zudem reiches historisches Bildmaterial und multimediale Elemente, etwa eine „Hitliste“ der meistgespielten Begräbnislieder zum Anhören, einen Film vom Begräbnis Kaiser Franz Josephs I. oder Touchscreens sowohl zu den Ehrengräbern als auch zum Zentralfriedhof und den weiteren Friedhöfen in Wien. Der Audioguide bietet zusätzlich zur Führung durch das Museum auch eine Tour über den Wiener Zentralfriedhof. Im Shop des Museums und beim Haupteingang gibt es originelle, teils skurrile Souvenirs zu erstehen.
Kaiserliche Friedhofsreformen
Über viele Jahrhunderte wollten die Wiener:innen ihre Toten möglichst nahe bei sich haben. So lagen die größten Friedhöfe im Stadtzentrum, um die Stephanskirche, die Ruprechtskirche und beim Schottenstift. Zumindest hier setzte sich der Reformkaiser Joseph II. durch. Er verbot die Bestattung in den Kirchen der Innenstadt und deren Grüften, die besonders zu Epidemiezeiten überfüllt waren, und ließ Friedhöfe in den damaligen Vororten Währing, Matzleinsdorf und auf der Schmelz anlegen. Freilich nicht ahnend, dass die Stadt wieder wachsen würde: Es dauerte keine hundert Jahre, bis die Gottesäcker wieder von Häusern umschlossen waren. 1874 wurde der Zentralfriedhof, Wiens riesige Totenstadt in Simmering, gegründet. Er besteht heute aus einem katholischen, evangelischen, israelitischen, islamischen, mehreren orthodoxen, einem buddhistischen und einem mormonischen Teil. Zwischen 1908 und 1910 erbaute Max Hegele die wuchtige Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche, ein Pendant zu Otto Wagners Jugendstil-Kirche am Steinhof. Architektonisch interessant sind auch das ebenfalls von Hegele errichtete Hauptportal und das 1922/23 gegenüber, auf dem Gelände des verfallenen Renaissanceschlosses Neugebäude, von Clemens Holzmeister entworfene Krematorium.

Ehrengräber für Strauss & Co
Der Bereich der so genannten Ehrengräber des Zentralfriedhofs stellt eine Art österreichisches Pantheon dar. Im Shop beim Haupteingang (2. Tor) gibt es einen Orientierungsplan um € 1. Über die Hearonymus App kann um je € 6,99 ein Audio-Guide für den Friedhof und das Bestattungsmuseum aufs Handy geladen werden (mit dem im Shop erhältichen Rabatt-Code jeweils um nur € 5). Hier wird auch ein Buch über die Ehrengräber verkauft, als Wegweiser zu den letzten Ruhestätten großer Persönlichkeiten wie Johannes Brahms, Johann Strauss Vater und Sohn, Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart (Gedenkstein), Franz Schubert, Arthur Schnitzler (Israelitische Abteilung), Curd Jürgens oder Helmut Qualtinger, von dem der wunderbare Ausspruch stammt: „In Wien musst’ erst sterben, bevor sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst’ lang.“ Auf Österreichs Popstar Nr. 1, Falco, trifft das nicht unbedingt zu. Dennoch hat auch er ein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof erhalten. Sehenswert ist auch der Grabstein des 2014 verstorbenen Sängers Udo Jürgens: ein sechs Tonnen schwerer Marmorblock in Form eines in ein Totentuch gehüllten Klaviers.
2013 wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof die Nationale Gedenkstätte für die Opfer der nationalsozialistischen Justiz eingeweiht. Eine Metalltafel auf dem Areal der Gruppe 40 des Friedhofs soll an rund 2.000 Ermordete erinnern. Außerdem ist dort Asche aus verschiedenen Konzentrationslagern im Gedenken an die Opfer des NS-Regimes bestattet.
Nach der Eröffnung des Zentralfriedhofs hatten die Vororte-Friedhöfe aus josephinischer Zeit ausgedient. Schrittweise wurden sie von den Gemeindevätern des „Roten Wien“ der Zwischenkriegszeit aufgelöst, Prominenz nach Simmering umgebettet und die Areale in Grünflächen verwandelt. Heute erinnert im Märzpark, Schubertpark und Waldmüllerpark nur mehr wenig an vergangene Tage der Stille und Andacht.
Mozart am romantischen Friedhof St. Marx und weitere Begräbnisstätten
Der Friedhof St. Marx hingegen konnte seinen Charakter bewahren. Diese einzigartige und einzige Biedermeier-Begräbnisstätte Wiens bezaubert auch heute noch durch ihre hochromantische Atmosphäre. Die von Efeu umwucherten Grabsteine, die Inschriften für „Fabricanten“, „Privatiers“ und sogar eine „bürgerliche Kanalräumers-Gattin“, die langen Alleen und nicht zuletzt das Mehrfachgrab, in das Mozart gelegt wurde, sind eine Pilgerstätte für Melancholiker und Romantiker.
Stimmungsvoll sind auch die Nobelfriedhöfe von Hietzing, Grinzing, Döbling und Heiligenstadt mit ihren vielen Grabstätten voll zeitloser Eleganz. Etwas ganz Besonderes aber ist der Jüdische Friedhof in der Seegasse: Über 400 Jahre alt, von den Nazis verwüstet und erst 1984 wiedereröffnet, liegt die Begräbnisstätte heute im Innenhof eines Seniorenheims. Der sensationelle Fund von alten Grabsteinen im Jahr 2013, die in der NS-Zeit zu ihrem Schutz unter der Erde vergraben wurden, weckt die Hoffnung, noch weitere aufzuspüren. Damit könnte dieser älteste erhaltene jüdische Friedhof in Wien als weltweit einzige jüdische Begräbnisstätte wieder in den Originalzustand von vor dem Zweiten Weltkrieg zurückgeführt werden.
Der Friedhof der Namenlosen befindet sich weit draußen an der Donau, beim Alberner Hafen. Dort wurden bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Selbstmörder, Unfallopfer und Schicksale ohne Namen der Erde übergeben, die ihren Tod in den Wellen gefunden hatten. An jedem ersten Sonntag im Monat findet um 15.30 Uhr eine Messe in der Friedhofskapelle statt. Am ersten Sonntag nach Allerheiligen wird derjenigen Toten gedacht, die nicht geborgen werden konnten, indem ein mit einem symbolischen Grabstein, Blumen und brennenden Kerzen geschmücktes Floß die Donau abwärts geschickt wird.
Für Muslime gibt es neben einem Teil des Zentralfriedhofs seit 2008 den ersten rein islamischen Friedhof für 4000 Tote in Wien-Liesing. In Kooperation mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich führt die Bestattung Wien Begräbnisse auf dem Islamischen Friedhof in Wien nach islamischem Ritus durch. Mit einer Ausnahme: Laut österreichischem Gesetz muss die Beisetzung in einem Sarg erfolgen, anders als im Islam, wo man die Toten in Leintücher gehüllt beerdigt.
Kaisergruft & Herzgrüfterl
Die letzte Ruhestätte der Habsburger entspricht dem österreichischen Hang zu glanzvoller Morbidität: Kaiser Ferdinand III. bestimmte die Gruft der Kapuzinerkirche als offiziellen Bestattungsort des Kaiserhauses. Jetzt ruhen dort ca. 150 Verstorbene in großteils prachtvollen Metallsarkophagen, allesamt – mit einer Ausnahme, der Erzieherin Maria Theresias – Angehörige des Herrscherhauses. Das Zentrum der Gruft bildet der mit lebensgroßen Figuren verzierte ausladende Doppelsarkophag von Barockregentin Maria Theresia und ihrem Gatten Franz Stephan von Lothringen. Joseph II. ruht wesentlich schlichter in einem einfachen Kupfersarg. Kaiser Franz Joseph wurde in der Kapuzinergruft neben Kaiserin Sisi und Kronprinz Rudolf zur Ruhe gebettet. Franz Josephs Bruder, der in Mexiko standrechtlich erschossene Kaiser Maximilian, wurde nach der Erweiterung der Gruft in den 1960er-Jahren in den neuen Raum verlegt. Seit 1989 befindet sich auch Österreichs letzte Kaiserin, Zita, in der Kapuzinergruft. 2011 fand Dr. Otto Habsburg-Lothringen, der erstgeborene Sohn des letzten Kaiserpaares Karl I und Zita und somit von 1916 bis 1918 österreichisch-ungarischer Thronfolger, zusammen mit seiner Frau Regina hier die letzte Ruhestätte. Im selben Gruftraum liegt seit 2008 auch Carl Ludwig, ein Bruder Ottos.
Schaurig, aber wahr: Nach einem unveränderlichen Ritual wurden die Habsburger-Körper an drei verschiedenen Orten bestattet: Die Herzen kamen ins „Herzgrüfterl“ in der Augustinerkirche, wo sie heute noch 54 silberne Urnen füllen, die in Kupferurnen verschlossenen Eingeweide in die „Herzogsgruft“ der Katakomben des Stephansdoms. Und der „Rest vom Rest“ wurde einbalsamiert und war für die Kapuzinergruft bestimmt.
Katakomben & Pestgruben
Führungen durch die Katakomben des Stephansdoms gelten als besonders schauriges Vergnügen, denn hier stapeln sich nicht nur die Gebeine tausender Wiener, die auf dem ehemaligen, von Kaiser Joseph II geschlossenen Friedhof rund um die Kirche begraben waren. Auch die mit sterblichen Überresten randvoll gefüllte „Pestgrube“ sowie Urnen mit den Eingeweiden vieler in der Kapuzinergruft bestatteter Habsburger erregen makabren Schauder. Und in der Krypta der Michaelerkirche kann man tausende Gebeine, einige hundert Särge und wegen der besonderen Luftverhältnisse bestens konservierte Mumien in ebenso gut erhaltenen Kleidern bewundern.
Narrenturm & Wachsfiguren
So nah die Beziehung der Wiener zum Tod in den vergangenen Jahrhunderten auch war: Leichen galten als Studienobjekte für Medizinstudenten als tabu. Der aufklärerische Geist Joseph II. wusste auch dafür Abhilfe: Er gründete 1784 die Medizinisch-Chirurgische Militärakademie, die Ärzten die Möglichkeit gab, Studien zu betreiben. Im selben Jahr widmete er das Invaliden- und spätere Großarmenhaus an der heutigen Alserstraße in ein „Allgemeines Krankenhaus“ um. Nach der Eröffnung des Neuen Allgemeinen Krankenhauses („Neues AKH“) mit seinen beiden weithin sichtbaren, 22 Stockwerken hohen Bettentürmen in den 1970er-Jahren wurde das „Alte AKH“ schrittweise in den Campus der Universität Wien umgewandelt. In dem riesigen Komplex mit den vielen Gartenhöfen befinden sich jetzt zahlreiche Institute der Wiener Universität, eine lebhafte, junge Lokalszene und der berühmte „Narrenturm“. Auf fünf Stockwerken umfasst dieser kreisrunde, im Volksmund als „Gugelhupf“ (ein runder Kuchen) bezeichnete Zylinder 139 Zellen, in denen geisteskranke Patienten unterbracht waren. Der Ort hat seinen Schrecken nicht verloren: Heute beherbergt er die Pathologisch-anatomische Sammlung mit einer Unzahl an Präparaten missgestalteter Körperteile.
Die Möglichkeit zum Studium von Medizin und Chirurgie sollte auch das 1785 eröffnete Josephinum bieten, mit dessen Errichtung Joseph II. den berühmten Architekten Isidor Canevale beauftragt hatte. In dem barock-klassizistischen Flügelbau ließ der Kaiser eine umfangreiche Bibliothek einrichten. Das Herzstück aber waren die Wachsfiguren, an denen künftige Mediziner anatomische Studien betreiben konnten. Die lebensgroßen Präparate mit Echthaar lassen sich im Josephinum in edlen Rosenholzkästen bewundern.
Der Tod im Wienerlied
Der Tod ist in Wien allgegenwärtig. Interessanterweise gerade dort, wo man ihn am wenigsten erwartet. Er tritt etwa auf, wenn beim Heurigen die Wellen der Gemütlichkeit und Weinseligkeit am höchsten schlagen. Nicht grausam, nicht furchterregend, sondern als geradezu selbstverständliche Tatsache, als Freund. Das war immer so und wird wohl auch immer so bleiben. „Erst wann’s aus wird sein, mit aner Musi und an Wein…“ ist eine Erinnerung an den Tod, die sich singt wie geschmiert. An diese Tradition knüpfen auch moderne Heurigenmusiker wie Neuwirths Extremschrammeln an. Und meinen es nicht wie im scherzhaften Spruch „Verkauft’s mei G’wand, i fahr in Himmel“, aber durchaus im Sinn des Fiakerlieds: „Und kummt’s amol zum O’fahrn, und wir i dann begrab’n, dann spannt’s ma meine Rapp’n ein und führt’s mi übern Grab’n…“ So beweist der Wiener, dass er auch im Tod Stil hat. Nicht umsonst heißt es: Der Kenner stirbt im Mai.

Adressen:
Bestattungsmuseum am Wiener Zentralfriedhof
Wiener Zentralfriedhof, Tor 2 Haupteingang, unter Aufbahrungshalle 2, Simmeringer Hauptstraße 234, 1110 Wien, www.bestattungsmuseum.at
Mo-Fr 9-16.30 Uhr, Sa & So geschlossen (ersten Samstag im Monat von 9:00 bis 16:30 Uhr mit Führung)
Friedhof der Namenlosen
Alberner Hafenzufahrtsstraße, östlich des Hafenareals, 1110 Wien, Tel. +43-660 600 30 23, www.friedhof-der-namenlosen.at
Friedhof rund um die Uhr zugänglich, Kapelle und Totenkammer nach tel. Vereinbarung
Friedhof St. Marx
Leberstraße 6-8, 1030 Wien, Tel. +43-1-4000-8042,
www.wien.gv.at/umwelt/parks/anlagen/friedhof-st-marx.html
1.4.-30.9., 6.30-20 Uhr, 1.10.-31.3., 6.30-18.30 Uhr
Herzgruft
In der Augustinerkirche/Loretokapelle, Eingang vom Josefsplatz, 1010 Wien, Tel. +43-1-533 70 99, www.augustinerkirche.at
Führungen jeweils sonntags und feiertags nach dem Hochamt, ca. 12.15 Uhr, und nach Voranmeldung
Islamischer Friedhof
Großmarktstraße 2a, 1230 Wien, Tel. +43-676 470 69 20, www.derislam.at
Mo-Fr 8.30-16.30 Uhr, Sa, So 7.30-15.30 Uhr, Ftg 8.30-16.30
Josephinum – Sammlungen der Medizinischen Universität Wien
Währinger Straße 25, 1090 Wien, Tel. +43-1-401 60-260 01, www.josephinum.ac.at
Mi-Sa & Ftg 10-18 Uhr; Do 10-20 Uhr;
Jüdischer Friedhof
Seegasse 9-11, 1090 Wien (Eingang durch das Pensionistenheim), Tel. +43-1-531 04-0,
www.ikg-wien.at
Besichtigung Mo-Fr 7-15 Uhr, Eingang durch das Seniorenwohnheim „Haus Rossau“
Kaisergruft (Kapuzinergruft)
Neuer Markt/Tegetthoffstraße 2, 1010 Wien, Tel. +43-1-512 68 53-88, www.kapuzinergruft.com
täglich 10-18 Uhr, 1. & 2. Nov. 10-14 Uhr, 24.12. 10-16 Uhr, 31.12. 10-15 Uhr, 1.1. 12-18 Uhr
Michaelerkirche
Michaelerplatz 5, 1010 Wien, www.michaelerkirche.at
täglich 7-20 Uhr, So & Ftg 8-20 Uhr; Gruftführungen Fre&Sa 10 & 12 Uhr (außer an kirchlichen Feiertagen) oder nach Vereinbarung, Tel. +43-650 533 80 03
Pathologisch-anatomische Sammlung im Narrenturm
Spitalgasse 2, 6. Hof, Universitätscampus, 1090 Wien, Tel. +43-1-521 77-606,
www.nhm-wien.ac.at/narrenturm
Mi 10-18 Uhr; Do & Fr 10-15 Uhr; Sa 12-18 Uhr, Ftg geschlossen
St. Stephan
Stephansplatz, 1010 Wien, Tel. +43-1-515 52-3054, www.stephanskirche.at
täglich 6-22 Uhr, So & Ftg 7-22 Uhr
Katakombenführungen Mo-Sa 10.00, 11.00, 11.30, 13.30, 14.00, 14.30, 15.30, 16.00 und 16.30 Uhr, So & Ftg 13.30, 14.00, 14.30, 15.30, 16.00 und 16.30 Uhr
Tierfriedhof Wien
Anton-Mayer-Gasse 5 (gegenüber Haupteingang Zentralfriedhof), 1110 Wien,
Tel. +43-1-760 70-28190 (9-15 Uhr), www.tfwien.at
3.11.-Ende Februar 8 bis 17 Uhr, März und 1.10.-2.11. 7 bis 18 Uhr, April und September 7 bis 19 Uhr, Mai bis August 7 bis 20 Uhr
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Autorin: Hanne Egghardt
Stand Juli 2022